Eine Kreuzfahrt
 mit Aida blue
 © Ulla Leber

Lange Jahre war es mein Traum, den Heiligen Abend einmal alternativ zu erleben, ohne vorherigen Einkaufsstress und ohne auf Schnee zu warten.
2010 war es dann so weit. Ich konnte meinen Mann von meiner Idee überzeugen. Eine kleine Aida Kreuzfahrt zu den kanarischen Inseln  wurde gebucht. Mit von der Partie waren unser ältester Sohn, dessen Freundin und die Tochter mit Ehemann.

Am Abend vor der Abreise checkten wir die Koffer in Frankfurt am Main ein, um unbelastet von Gepäck am 17. Dezember morgens 8.15 Uhr nach Teneriffa starten zu können, wo wir in Santa Cruz die Aida besteigen sollten. Die kleine Verspätung von 2,5 Stunden nahmen wir gerne in Kauf, da wir wegen der eisigen Witterungsverhältnisse Verständnis dafür hatten.
Viereinhalb Stunden Flug waren ein wenig lästig, aber wir verließen in Teneriffa guter Dinge und in fröhlicher Urlaubsstimmung den Flieger, um uns zum Gepäckband zu begeben.
Viele, viele Koffer in allen Farben, Größen und Ausführungen liefen an uns vorbei und wurden erleichtert vom Band gehoben.
Einer nach dem anderen der Fluggäste verließ den Aeroporto de Tenerife zum Transfer zur Aida.

Mit uns blieben etwa 40 Familien übrig, die vergeblich auf ihre ca. 80 Gepäckstücke warteten.
„Da stimmt was nicht, der nächste Flug steht schon auf der Anzeigetafel, unsere Koffer sind nicht da“, stellten wir übereinstimmend fest.  
Also zogen wir geschlossen ab zum Schalter der Fluggesellschaft Condor um das Gepäck zu reklamieren. Da dort nur Einheimische saßen, die der deutschen Sprache nicht so mächtig waren, dauerte es lange, lange bis alle das entsprechende Papier ausgefüllt hatten. Mittlerweile hatten wir festgestellt, dass alle die Reisenden, die das Gepäck schon abends aufgegeben hatten, betroffen waren.

Ein letzter Transferbus wartete auf uns, um uns die etwa 45 Minuten zum Hafen zu transportieren. Hellerleuchtet lag die Aida einladend vor Anker. Entsprechendes Personal war bereits über das Missgeschick informiert worden. Nach dem Check-in versammelten wir uns gegen 18.30 Uhr an der Rezeption, um ein kleines Notpäckchen zu erhalten, damit wir wenigstens die Zähne putzen und die Haare kämmen konnten. Im Päckchen der Männer war ein einfacher Nassrasierer. Für jeden Tag ohne Gepäck wurden uns 50 Euro zugesichert, maximal 250 Euro. Schließlich warb die Aida unter dem Slogan: „Hier ist das Lächeln zuhause!“
Pünktlich um 20.OO stachen wir in See, auf Deck 12 gefeiert mit Musik und einer großartigen Lasershow.

Den Vorschlag, geschlossen im Bademantel der Aida das Restaurant aufzusuchen, traute sich niemand wahrzunehmen. Wir gingen in unserer Winterkleidung zum Essen, Ich hatte meine älteste Jeans an, da ich gedacht hatte, sie sei gut genug für die Anreise. Außerdem stiefelte ich in Winterstiefeletten einher. Viele hatten Kinder dabei, für diese Familien war es wahrhaftig stressig, und Wohlbefinden konnte nur schwer aufkommen.

Nach einer stürmischen Nacht, nach der schon der eine oder andere den Bordarzt konsultieren musste, liefen wir gegen Mittag auf Madeira ein.
Wir erlebten auf Deck 12 bei der Einfahrt der Aida blue in den Hafen von Funchal magische Minuten,
inszeniert wie eine Oper und vergaßen dabei kurzfristig das Missgeschick.

Vorsichtshalber machten wir uns gleich von Bord, erstmals nicht um die Schönheiten Funchals zu genießen, sondern um Unterwäsche und Shirts zu besorgen. Schließlich war es warm auf Madeira.
Noch hofften wir auf unsere Koffer. Nix da! Nach drei Tagen wurde mitgeteilt, die Condor könne sich nicht um die Koffer von 40 Personen kümmern, da insgesamt 20.000 vermisst würden. Da hatten wir das Gepäck auch schon längst abgeschrieben.


Beim Insel hopping La Palma, Gran Canaria, Fuerteventura und Lanzarote, überall musste Ausschau gehalten werden nach etwas Anziehbarem, und in vielen Kaufhäusern traf man sich wieder. Aber eigentlich waren wir ja ausgezogen, um die Inselwelt frei und ohne Sorgen zu erkunden und nicht, um in Kaufhäusern herum zu stöbern.

Die Crew der Aida lud uns zu einem Adventsessen ein, als wenn es nichts auf der Aida zu essen gäbe.
Trotzdem mundete der Sekt, schmeckten uns die bayrische Vorspeise und die halbe Ente hervorragend. Eine Dame erschien nur auf Strümpfen, da sie sich in den neu gekauften Schuhen Blasen geholt und der Bordarzt Schuhe verboten hatte. Sie hatte es versäumt, die Badeschläppchen und das Notpaket in Empfang zu nehmen. Nichtinformierte tuschelten amüsiert hinter ihr her.

Drohend stand der Heilige Abend vor der Tür. Ein Blüschen hatte ich für diesen Anlass gefunden, vor den abgewetzten Jeans hielt ich meinen Seidenschal, den ich glücklicherweise in der Handtasche verstaut gehabt hatte,  und der nun gute Verschleierungsdienste tat. Im Theater sitzend, glänzte es neben mir golden und silber, gestylte Frisuren, Abendtäschchen. Alle hatten sich aufgehübscht, schließlich war ja Heilig Abend. Aber, als aus vielen Kehlen gegen Ende der Weihnachtsshow Stille Nacht, heilige Nacht erklang und alle schon ein oder zwei Gläschen intus hatten, fielen wir nicht mehr auf.

Die Aida hielt Wort. Auf der Abschlussrechnung waren pro Person 250,-- Euro gutgeschrieben, und wir mussten am Abreisetag keine Koffer packen, uns genügte ein großer Plastikbeutel.

Am ersten Weihnachtstag, dem Abreisetag, 26° C in Teneriffa, fragte die Condor-Dame beim Check-in am Flughafen: „Kein Gepäck?“
„Nein, ist noch in Frankfurt“, antwortete ich, was ihr ein müdes Lächeln entlockte.
Wieder mal wetterbedingt zwei Stunden Wartezeit, da der Flieger aus Frankfurt verspätet ankam und erst gewartet werden musste. Abstürzen wollten wir ja auch nicht. Auf keinen Fall!

Große Diskussionen: „Finden wir die Koffer in Frankfurt vor, oder sind sie nicht da? Sehen wir sie an Ostern wieder oder überhaupt nicht mehr?“
Aber allgemein vorherrschend war die Meinung: „Es war zwar ärgerlich und lästig, aber es gibt wahrlich Schlimmeres, als auf der Aida blue sieben Tage ohne Koffer zu sein.

Für mich und meine Tochter war es eine lehrreiche Erfahrung, wir wissen nun, dass der Koffer auf der nächsten Reise auch ganz klein sein und dass man mit Wenigem auskommen kann, zwar nicht so rundum glücklich aber auch nicht ganz unglücklich. Aber das wollen wir den Flughafenbetreiber nicht wissen lassen, der es doch tatsächlich fertig gebracht hatte, unsere Koffer neben dem Gepäckband in einem kleinen Container aufzustellen, ohne jeglichen Hinweis oder Entschuldigung. Da waren sie also wieder die Vermissten, wohlbehalten in allen Farben und Ausführungen. Ich denke, man hatte sie am Abreisemorgen schlicht und einfach vergessen.

Nun freuten wir uns bei minus 10° C auf unser weihnachtliches Zuhause, aber kaum angekommen, wurde es in der Wohnung kühler und kühler. Die Heizung hatte ihren Geist aufgegeben.
„Frohe Weihnachten!“



Datenschutzerklärung
Kostenlose Webseite erstellen bei Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!