ie jedes Jahr fing ich auch dieses Jahr früh mit den Weihnachtsgeschenken an. Drei erwachsene Kinder, davon eines verheiratet und selbst mit 3 Kindern gesegnet und zwei mit Lebenspartnern. Da kommt schon etwas an Wünschen und Päckchen zusammen.

Mitte November, nachdem ich schon erste kleine Gaben weihnachtlich verschnürt hatte, erkundigte ich mich bei meiner ältesten Enkeltochter, die auch noch am 2. Weihnachtstag Geburtstag hat, was sie sich denn außer dem an "Barem" noch wünsche.
"Ach Oma, kauf mir einen geilen Schal."
"Sarah, was ist ein geiler Schal, woher soll ich wissen, was dir gefällt? Suche ihn dir bitte aus, den geilen Schal, sage mir, wo es ihn gibt und ich hole ihn dir."
"OK Oma!"
Ich warte eine Woche, zwei Wochen, nichts rührt sich. Mit meiner jüngsten Enkelin stehe ich online in Verbindung. Ich maile: Erinnere deine Schwester an den geilen Schal, den ich ihr kaufen soll. Die Antwort kommt schnell: Sie ist nicht da, ist doch immer on tour, ich sage ihr Bescheid, sie ruft dich an.   

Mittlerweile ist der Dezember ins Land gezogen, die Weihnachtsmärkte sind eröffnet, der Nikolaus hat seine Taschen geleert, an den Wohnungsfenstern und den Vorgärten brennen schon lange die Weihnachtskerzen, und in den weihnachtlich aufgeputzen Einkaufszentren drängeln sich die Menschen.
Ich sehe in einem Sportgeschäft einen blauen Adidasschal, sündhaft teuer und
assozieire das Adidaslabel mit Teenie. Das müsste es doch sein. In einem anderen Trendyladen erspähe ich einen langen, bunten Schal, den ich mir sehr gut um den Hals meiner Enkelin, die sich vornehmlich in dunkle Klamotten hüllt, vorstellen kann.

"Das würde doch alles dann ein bisschen freundlicher aussehen", sage ich zu meinem Mann "und außerdem ist der Schal zur Zeit total "In".
"Wenn du meinst!"
Ich maile meiner kleinen Enkeltochter:
Frage deine Schwester, die ich telefonisch nicht erreichen kann, ob sie einen blauen Adidasschal oder einen langen, bunten Strickschal will.Da ich wohl viele Mails aber keine Antwort auf meine schwerwiegende Frage bezüglich der Auswahl bekomme, ziehe ich los und hole den schönen langen und vielfarbigen Schal. Ich verpacke ihn liebevoll und setze obenauf eine passende Schleife.

Der Heilige Abend ist bedenklich nahe, als die Kleine vorbeischaut und nebenbei erwähnt: "Übrigens, du sollst den Adidasschal nehmen."
"Was", frage ich, "den Adidasschal?"
Am nächsten Morgen sause ich los.
"Der blaue Adidasschal ist leider aus", sagt die Verkäuferin, "wir haben noch blaue Reebok oder Nike-Schals."

Ich maile das Ergebnis meiner Suche der Kleinen.
Sie will aber blauen Adidas, ist die Antwort.

Ich gehe ins nächste Sportgeschäft. Adidas ist nicht da, weder blau noch in einer anderen Farbe.
Ich fahre in den nächsten Ort, besuche ohne Erfolg zwei große Sportgeschäfte, sehe noch mehr ältere Menschen, die sich ratlos umsehen.
"Haben sie Dockers-Rucksäcke"? höre ich eine weißhaarige alte Dame fragen.
Aha, denke ich, auch ein Auftragskauf für Weihnachten.
Ich habe eine Verkäuferin entdeckt, die ich nach meinem Wunschschal frage.
"Blauer Adidas? Adidas ist ausverkauft, nehmen sie doch diesen", sagt sie ziemlich gestresst und zeigt mir einen blauen Schal mit Bombeln und ohne jegliches Label.
"Vielen Dank", sage ich, "ich suche einen blauen Adidasschal und schon gar keinen  mit Bombeln."

Jetzt bleibt nur noch Frankfurt. Es ist kalt. Ich packe den schönen bunten Schal wieder aus und lege ihn mir selbst um den Hals und suche in Frankfurt. Rolltreppe rauf, Rolltreppe runter.
Ich spüre manchen Blick, der auf meinen Schal gerichtet ist. Denken die jetzt, flott die Oma mit dem bunten Schal, oder, die ist doch viel zu alt für so etwas. Es ist mir egal.
Ich will schon aufgeben, da sehe ich ihn, den heissbegehrten blauen Schal mit dem Adidas-Etikett.
Gerettet!

Ich packe ihn genau so schön ein, wie zuvor den vielfarbigen und freue mich auf den Heiligen Abend.
Am nächsten Tag begegne ich , behängt mit meinem bunten Schal, meiner Enkelin, derjenigen, die den von Adidas will.
"Hey Oma, wie geht's? Geilen Schal, den du da umhast, den würde ich auch nehmen. Tschüs". Und fort ist sie.
Oh, oh, ich zíehe mir den Schal fester um den Hals und denke:
Jedem das Seine.


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